Montag, 26. April 2010

Cypress Hill - Rise up

Eins mal kurz vorweg: Die Idee zu dem Blog kam, wie schon erwähnt dadurch, dass ich mit einem gewissen E.W. ewig viel über Musik geschrieben habe. Damals schon haben wir daran gedacht, zu zweit einen solchen Blog zu machen. Technisch bedingt gibt es derzeit aber nur mich als Autor, das wird sich aber bald ändern.
Das folgenden Review stammt also nicht aus meiner Feder, sondern aus der eines bekennenden Cypress Hill-Fans und -kenner.


First they ditched the funk, then they ditched the Boom-Bap - and now this?!
So lautet eines von vielen Zitaten zu den Höreindrücken des neuen Albums von Cypress Hill "Rise Up". Nach 6 Jahren meldet sich die Gruppe wieder zurück an der Oberfläche. Wer genau hinschaut, erkennt auf etwaigen Fotos im voraus entweder nur drei Gruppenmitglieder oder einen Typen hinter dem Mischpult, der jetzt der Tourersatz (Julio G vom Westcoast Radio) für die wichtige, zentrale und nun vor allem fehlende Figur ist: DJ Muggs.
Niemand hat der Band je den Vorwurf gemacht etwas neues auszuprobieren. Wenn aber der Mann fehlt, der mit seinen Produktionen und Weisungen seiner Rapper der Band den Kultstatus mit ihrer "bicoastal production" den Weg gewiesen hat, ist die Sorge berechtigt, ganz besonders wenn statt seiner der berühmte Frontmann mit der nasalen Stimme, B-Real, das Ruder übernommen hat. Der hatte mit seinem Soloalbum Smoke'n'Mirrors nämlich auch keinen Glücksgriff gelandet.

Erstmal kann jedoch gleich in zweierlei Hinsicht Entwarnung gegeben werden. Einerseits, weil selbst die beiden Tracks von Muggs auch nur von ihm co-produziert sind und nur einer wirklich gut ist. Zweitens, weil B-Reals Produktionen durchschnittlich, aber kein kompletter Reinfall sind.
Darüber hinaus besitzt das Album durchaus einige Lichtblicke, die aber rar gesäht sind. "Light It Up" z.B. zeigt auch mal wieder den guten, alten Pete Rock in Höchstform. Tom Morello lässt Cypress verdammt nach Rage Against The Machine klingen, was aber in diesem Fall nur positiv zu sehen ist, wenn man bedenkt wie verzahnt die Aufstiegsgeschichte der beiden Bands ist. Ansonsten geben sich besonders in der Produktion weitere Gäste die Klinke in die Hand. Erwähnenswert ist hier Jim Jonsin, der mit seinen zwei Beiträgen wirklich etwas sehr gutes liefert, im Gegensatz zu dem Unsinn den er normalerweise mit Lil Wayne verzapft. Unverständlich ist aber, warum B-Real bei der Trackauswahl das schon ewig bekannte und ursprünglich gar nicht für das Album geplante "Get Em Up" auf das Album gepackt hat und stattdessen eine Produktion mit DJ Premier (!) oder eben die Tracks mit Ill Bill, Apathy oder Slash verworfen hat. Gerade ersteres ist zumindest für mich ein feuchter Traum.
Trotz allem hätte ich mir aber lieber einen weniger feature-lastigen LP gewünscht, besonders nachdem das seinerzeit auch mal von Sen Dog angekündigt wurde.

Insgesamt sind gerade die Produktionen das Problem des neuen Cypress-Hill-Albums. Von einem Ausflug in andere Gefilde kann man zwar schon sprechen, aber er verläuft leider nicht immer glücklich. Man merkt zwar, dass besonders ein schnelleres Tempo neuen Wind bringen sollte, jedoch klingt einfach zuviel zu beliebig. Und ob es nicht mehr nach Cypress klingt? Darüber will ich mich eigentlich gar nicht echauffieren. Gegen neue Wege habe ich nichts, aber bitte nicht so!
Was wiederum zumindest für mich kein Grund zum meckern ist, sind die Auftritte von B-Real und Sen Dog als Rapper. Letzterer hat mit seinem Soloalbum gezeigt, dass er völlig zu Unrecht über die Jahre hinweg bei Cypress nur die zweite Geige gespielt hat und nicht mal öfter am Start war. Einzig "Armada Latina" macht Sen Dog nicht so gut. Davon mal abgesehen, sind seine Auftritte jedoch klasse und er ist darüber hinaus fast auf jedem Track zu hören, was bei früheren Alben durchaus bemängelt werden durfte. B-Real wiederum ist einfach einer der besten MCs. Er klingt vielleicht nicht mehr ganz so quietschig und weed-verrückt wie früher, aber rappen kann er noch immer - wenn schon nicht gut produzieren, dann wenigstens das. Ebenfalls erwähnenswert ist die Verstärkung des "back and forth"-Aufbaus der Reimerei. Sehr gut!

Bevor es nun abschließend zu einem Urteil kommt, präsentiere ich hier die Tracklist und meine hochgestochenen Kommentare zu jedem einzelnen Titel:

1. It Ain't Nothin (Gast: Young De, Produktion: B-Real)
Nach einem Skit kommt der wohl schlechteste Einstieg den es je auf einem Cypress-Album gab. Besonders die Drum-loops klingen irgendwie nach einem viel zu clubähnlichen Sound, den B schon auf Smoke'n'Mirrors hatte. Young De, B-Reals Protege dieser Tage, ist nur auf der Hook vertreten, was zahlreiche Fans gefreut hat. Ich finde seine zwei Zeilen hier ganz okay. Insgesamt geht mir der Track nach mehrmaligem Hören schon etwas besser ab, jedoch würde ich nur noch 5.5/10 vergeben.

2. Light It Up (Produktion: Pete Rock)
Dieser von Pete Rock produzierte Track ist mein Favorit auf dem Album. Die beiden Rapper klingen wie in früheren Tagen. Und wenn Sen Dog sagt Pete Rock und der Hill seien eine gute Combo, dann stimmt das voll und ganz. Eine kleine Ironie am Rande: Während Pete Rocks letztes Album besonders wegen dessen fast schon kinderhaften Reimen verschmäht wurde, sind es bei B-Real die Produktionen. Der Track ist jedenfalls fein. Eine Höchstwertung vergebe ich aber nicht, da durch das schon auf dem verstreckten Roots Track vom Album "The Tipping Point" (2004) eingesetzte Sample von Barry White dem anderen Track einfach zu ähnlich klingt. Daher 9/10.

3. Rise Up (Gast: Tom Morello, Produktion: Tom Morello & B-Real)
Der Titeltrack gehört zu den weiteren Perlen des Albums. Auch hier ist es wieder Sen Dog, der besonders positiv mit seiner zweiten Strophe und dem Michael-Myers-Vergleich auffällt. Bemängeln könnte man jetzt höchstens die letzte lahme Hook sowie das für Morello-Verhältnisse eher standardmäßige Solo. 9/10.

4. Get It Anyway (Produktion: Jim Jonsin)
Der erste Jonsin-Track gefällt mir erstaunlich gut. Ein melodisches Ding, dass an Tracks vom Vorgängeralbum "Till death do us part" erinnert. Ebenfalls einer der besseren Stücke des Albums. 8/10.

5. Pass The Dutch (Gäste: Evidence & Alchemist, Produktion: DJ Khalil & DJ Muggs)
Ev & Alc gehören schon lange zur Familie der Soul Assassins und sind vernünftige Gäste für diese typische Marihuanahuldigung. Doch der Alchemist kann raptechnisch mit B-Real und Evidence nicht mithalten, wie man leider schon auf anderen Stücken von ihm erkennen musste. Schuster, bleib bei deinen Leisten! Alchemist ist ein würdiger Muggs-Nachfolger was die Produktion angeht, jedoch auch nur ein durchschnittlicher Rapper. Ach ja, und wenn wir von der Produktion sprechen: Ich habe bewusst zuerst Khalil genannt. Der erprobte Hörer wird nämlich sofort diesen als treibende Kraft des Tracks identifizieren können. Von DJ Muggs ist hier wenig zu hören. Trotzdem sehr gut: 9/10

6. Bang Bang (Produktion: B-Real)
Wie viele Songs mit diesem Titel gibt es eigentlich? Nun ja, auch dieser hier wird sich nicht in der Riege der Banger erheben. Der Beat ist langweilig und eintönig, das hochgepitchte Sample braucht es einfach nicht. Ein Teil der Flop 3, wenn man so will, vielleicht sogar der mieseste auf dem ganzen Album. 3/10

7. K.U.S.H. (Produktion: Sick Jacken & B-Real)
Leider eine weitere kleine Enttäuschung. Sick Jacken, der mit seinem Bruder Big Duke und B-Real das legendäre erste Psycho-Realm-Album auf die Beine gestemmt hat, leistet hier mit dem Beat zwar solide Arbeit, aber überragend ist der Track leider nicht, besonders in der Hook und der schnöden Aufzählerung wer jetzt alles down mit dem Hill ist. Zugute halten könnte man, dass hier ein etwas flinkeres Weed-Anthem ausprobiert wird. 7/10.

8. Get 'Em Up (Produktion: B-Real)
Dieses Stück war der erste vollständig releaste Track (u.a. auf dem OST des Spiels Madden 2010 zu finden). Ein böses Omen dazu: Eine Produktion von B-Real, die wie alle anderen nicht grottenschlecht, aber auch nur durchschnittlich ist. Pluspunkt ist hier wieder Sen Dog, auch wenn sein Intro schon etwas bescheuert anmutet. 6/10

9. Carry Me Away (Gast & Produktion: Mike Shinoda)
Von allen Gästen dürfte dieser Name in der Liste besonders in Auge fallen und bei den ganz harten Hardcore-Leuten zu einem Herzinfarkt führen. Doch eine kurze Story vorneweg: Shinoda hat für den Rapper Apathy auf dessem neuen Album einen Track namens "Shoot First" produziert, auf dem auch B-Real vertreten ist. Und zu Überraschung aller klang dieses Stück verdammt nach 1993. Auch B-Real ist einfach grandios auf diesem Track. Also hat der Optimist ein ähnliches Stück erwartet.
Leider ist "Carry Me Away" kein zweites "Shoot First" und ziemlich gewöhnungsbedürftig. Mit einem schmachtenden Shinoda an der Hook werde ich wohl nie warm, dafür ist die erzählte Story gut und auch die Produktion in Ordnung, wenngleich sie in gewisser Weise schon typisch Linkin Park zugeordnet werden kann. Na ja. Im Moment: 6/10, vielleicht wirds aber noch besser.

10. Trouble Seeker (Produktion: Daron Malakin)
Obwohl ich den Gitarristen von System of a down nicht mag, liefert er hier doch einen echt geilen Song ab. Der Track klingt wie zu besten Skull & Bones-Zeiten und ist, für Cypress-Verhältnisse in ihrer Rocksparte, sehr klassisch geraten. Mehr muss man auch nicht sagen. Wer die Bones-Seite mochte, wird den Track lieben. 9/10

11. Take My Pain Away (Gast: Everlast, Produktion: DJ Khalil & DJ Muggs)
Der zweite Khalil/Muggs-Track ist ebenfalls eher schlecht. Sen Dog ist nicht vertreten und so muss B-Real alleine ran, während Everlast, ebenfalls langjähriger Kollege, ihn auf der Hook unterstützt. Nun gut, unterstützt ist das falsche Wort, denn was hier als Hommage an die Doors gesungen werden sollte, klingt einfach grässlich. Und auch beatmäßig hat Khalil schon besseres verzapft. Nach dem ersten Hören war ich eher schockiert, mittlerweile geht es. Aber nur etwas. 4.5/10

12. I Unlimited (Produktion: B-Real)
Man kann sich schon denken, was jetzt kommt: Durchschnittliche, ewig im loop hängende B-Real-Produktion. Dafür wird ein wenig rumgescratcht, was zumindest dahingehend Abwechslung verspricht. Weiterhin ist die Hook, wie auf einigen anderen Tracks auch, eher lahm. Dafür aber entschädigt der Track, wenigstens meiner Meinung nach, vieles durch das erwähnte abwechselnde Auftreten der beiden Rapper. Daher gibts 7/10 für das Ding, das trotz der negativen Aspekte irgendwie Gefallen bei mir findet.

13. Armed & Dangerous (Produktion: Jake One & B-Real)
Inhaltlich ist der Track mit dem Hinweis auf eine üppige Bewaffnung eher belanglos. Aber schlecht eigentlich nicht. Jake One, der u.a. mit Slug von Atmosphere gearbeitet hat, ist außerdem ein vielversprechender Produzent und lässt den Song glücklicherweise mehr nach sich als nach B-Real klingen. Ein Teil fürs Auto. 7/10

14. Shut 'Em Down (Gast: Tom Morello, Produktion: Tom Morello & B-Real)
Der zweite Beitrag mit Morello beginnt mit einem verdammt bluesigen Intro, ehe er ähnlich wie "Trouble Seeker" in dieser Rockausrichtung verdammt nach alten Cypresstagen klingt. Dieser Track hier ist zwar nicht ganz so gut wie "Rise Up", aber doch ebenfalls eines der guten Stücke des Albums. 8/10

15. Armada Latina (Gäste: Pitbull & Marc Anthony, Produktion: Jim Jonsin)
Hierzu wieder ein tolles Zitat: "Glad I never got that cypress hill tattoo… the homies would beat my ass after hearing this new gay shit". Nun, ist es wirklich so schlimm? Ich finde nicht. Während der Track entweder maßlos gehasst oder zum nächsten Sommerhit verklärt wird, ist dieses Stück nicht so gut wie die andere Latinsongs von Cypress wie "Latin Lingo", "Tequila Sunrise", "Lowrider" oder "Latin Thugs". Das liegt daran das sowohl B-Real und gerade auch Sen Dog auf den besagten Tracks besseres abliefern. Zweitens ist die Produktion auf jeden Fall gut, aber ebenfalls nicht so organisch wie zum Beispiel bei Tequila Sunrise, das noch mit extra eingespielten Instrumen daherkommt. Drittens dürfte nicht jeder mit den Gästen warm werden. Pitbull liefert in der Regel Scheußliches ab, während man Marc Anthony einfach nicht mit dem Hill in Verbindung bringen würde. Aber mir gefällts. 7/10

Noch eine kurze Statistik (Empiriker eben): Insgesamt gäbe es 150 Punkte zu erreichen. Wenn ich mich nun nicht verrechnet habe, erhält Rise Up aufgerundet (wir wollen mal nicht so sein) 96 Punkte. Noch interessanter ist aber, dass zumindest ich keinem Track die Maximalpunktezahl vergeben würde, also das Album einen Track hätte, welcher nach Cypress-Maßstäben perfekt wäre. Würde mir jemand eines der Vorgängeralben vor die Füße werfen, fänden sich da mehr als genug. Freilich bin ich bei der Bewertung dieses Albums besonders kritisch gewesen, was aber nur an der hohen Messlatte liegt, welche der Hill über die Jahre hinweg selbst so hoch gehängt hat.
Noch ein kurz zur Aufmachung der CD-Hülle sowie des Booklets: Gut, aber irgendwie wirkte es auch ein wenig wie von RATM recyclet. Der Cypress-Stil stand immer für Totenköpfe. Warum nun olle wehende Fahnen? Immerhin passen sie zu den Revoluzzer-Skits vor einigen Tracks, wenngleich dieses Gehabe natürlich recht ausgelutscht ist.

Das Fazit: Produktion in vielerlei Hinsicht flop, Lyrics durchschnittlich bis top. Cypress Hill bietet einerseits klassisches Material und hat sich auch weiter entwickelt, ohne jedoch in beiderlei Hinsicht wirklich komplett überzeugen zu können. Zumindest die drei Rocktracks sind sehr gut geraten, was dem Hill in der breiten Masse sicher positive Rückmeldungen für diesen Longplayer bescheren wird.
Was dem Album gut getan hätte, wäre, wenn DJ Muggs schon selbst kein Interesse mehr an der Gruppe zeigt die ihn groß gemacht hat, einfach Produzenten, die wissen müssten wie der Hill klingen sollte. The Alchemist, rappender Gast auf "Pass The Dutch", fiele mir da sofort ein, gerade wo sich doch Gerüche darum ranken er hätte ein Großteil der Samples von Temples of Boom mitverantwortet! Auch den guten Fredwreck könnte man mal wieder anrufen, so der mal wieder auf was anderes Lust hätte als auf Produktionen für Britney Spears. Oder eben man verhilft Pete Rock zu positiven Meldungen und setzt gleich 5 bis 6 Tracks auf die Tagesanordnung anstatt nur einen. Und eben: B-Real gehört geschlagen für seine Beats.
Alles in allem also ein eher misslungenes Comeback für das es viele Gründe gibt. Jedoch kann man glücklicherweise immer noch sagen, dass Cypress Hill selbst mit einem schlechten Album besser klingen als viele, viele andere Hip-Hop-Künstler dieser Tage.

(geschrieben von E.W.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen