Donnerstag, 27. Mai 2010

Secret And Whisper

Neben all dem Geknüppel und Gebolze, dem ich mich Tag für Tag aussetze braucht es manchmal auch ruhigere Töne. Manchmal wird es akustisch und Jack Johnson darf mir mit seinem fantastischen „In between dreams“ den Tag versüßen, manchmal wird es poppig und Bands wie Metric oder die neuen Lostprophets dürfen in den CD-Player, manchmal melancholisch und Sven Regener darf mit seinen Mannen von Element of crime regnerische Tage erträglich machen und manchmal dürfen auch Männer mit verdammt hohen Stimmen ran. Die Rede ist hier noch von Iron Maiden oder sonstigem Heavy Metal sondern von Musik, die man am ehesten im Bereich vom sog. Emo einordnen würde.
Ein Beispiel dafür sind zum Beispiel Underoath, die über mehrere Alben auch hohen Gesang von Drummer Aaron Gillespie enthielten, welcher ein absolutes Wiedererkennungsmerkmal der Band war.
Nach der letzten Europa-Tour ist der Gute allerdings aus der Band ausgestiegen, den Platz hinter der Schießbude nahm der ehemalige Norma Jean-Drummer […] ein. Find ich durchaus schade da ich den Gesang von Aaron sehr gerne mochte. Umso erfreuter war ich als ich von seinem Neben- bzw. jetzigem Hauptprojekt The Almost hörte. Also flugs reingehört und bitterböse enttäuscht worden. Zigmal gehörter Pop-Rock der übleren Sorte, ein Gillespie der gesangsmäßig wesentlich bessere Zeiten hatte und Songs, die mich wirklich hart langweilten. Schade drum, schließlich hatte ich durchaus einige Erwartungen an das Projekt.
Allerdings bin ich kürzlich auf eine Band gestoßen, die teilweise in die gleiche Kerbe schlägt wie Underoath, nur mit der Einschränkung dass hier nun ausschließlich klarer Gesang eingesetzt wird. Secrets and Whisper aus den USA sind sehr wahrscheinlich der Traum eines jeden hip gestylten Kiddie-Mädels mit Karoschuhe, Nietengürteln und der obligatorischen „Der Scheitel muss mir so ins Gesicht fallen“-Frisur, kurzum: Musik für Mode-Emos.
Macht’s das von vornherein schlecht? Mitnichten, also flugs ein Ohr riskiert und suprise, suprise: Das macht ja sogar Spaß! Durchweg melancholische Songs im Midtempo-Bereich mit glasklarem, glockenhellem Gesang in Ton-Gefilden, die sich vielleicht noch Axl Rose zutraut.
Auf Album-Länge taugt das meiner Meinung nach nicht so ganz, aber für eine knappe halbe Stunde fesselt der an und für sich alles andere als innovative Sound allemal.
Wer seine musikalischen Scheuklappen also gerne mal abnimmt, sich nicht scheut möchtegern-harte Musik für pubertierende Mädchen zu hören, könnte eventuell positiv überrascht werden.
Anspieltips: Warrior, XOXOXO, Famous for a century
Hörproben: www.purevolume.com/secretandwhisper

As I Lay Dying - The Powerless Rise


Wenn man als Metalband der härteren Gangart über eine Million Alben verkauft, mehrere ausverkaufte Headliner-Touren sowohl in USA als auch in Europa spielt und everybodies darling in der Presse ist, dann ist es wahrscheinlich sehr verlockend auf Nummer sicher zu gehen und ein Erfolgsalbum wie „An Oean Between Us“ noch einmal aufzunehmen und ordentlich abzukassieren. Stolze 39500 Einheiten verkaufte sich das letzten Album´von San Diegos finest in der ersten Woche in den USA und schoss damit auf einen sensationellen #8 der amerikanischen Billboard Charts. Für eine Metalband nicht unbedingt alltäglich, für deren Label Metal Blade ein großer kommerzieller Erfolg und dem Konto der 5 Herren sicherlich sehr förderlich. Da der ein oder andere Frau (und Kind) hat wäre es in gewisser Weise nachvollziehbar wenn man das Erfolgsrezept einfach wiederholt.
Jedoch wird Weiterentwicklung seit jeher bei As I Lay Dying großgeschrieben, mit jedem Album wurde das Spektrum erweitert und der Sound verfeinert. Das erste Album „Beneath The Enchasing Of Ashes“ kann man getrost als Zao-Coveralbum bezeichnen, die Band tut dies ja auch. Gerade einmal 3 Monate nach Bandgründung wurde das Album innerhalb von 5 Tagen aufgenommen, gemixt und gemastert, dementsprechend rau klingt sie auch.
Das nächste Album (die Split-EP mit American Tragedy mal ausgeklammert) klang schon wesentlich eigenständiger auch wenn die Mixtur aus Death Metal, Hardcore, Breakdowns und Blastbeats ziemlich angesagt war zu dieser Zeit. „Frail Word Collapse“ schlug ein wie eine Bombe in die noch relativ junge Szene und hat heute Klassikerstatus. Das Album an sich war allerdings nicht gerade aus einem Guss, man sprang dann doch ziemlich hörbar zwischen den einzelnen Stilen hin und her. Man kann es als „nicht ausgereift“ bezeichnen, jedoch erzeugt gerade diese stilistische Unentschlossenheit (und der sehr ungewöhnliche Sound) diesen Charme, welcher diese Platte ziemlich einzigartig im sog. Metalcore macht.
Der Nachfolger „Shadows Are Security“ wirkte da schon wesentlich homogener, straighter aber leider auf Album-Distanz manchmal etwas eindimensional. Der ziemlich dicke, aber nicht glattpolierte Sound tat sein Übriges und somit bekommt man eine knappe Dreiviertelstunde die volle Breitseite ab.
Das „An Ocean between Us“ wesentlich variableres Songwriting vorweist liegt mit Sicherheit daran, dass das Besetzungskarussell innerhalb der Band langsam zu Stillstand kam. Mit Nick Hipa und Phil Sgrosso hatte man nun seit 2 Alben junge und talentierte Gitarristen, die sich hörbar weiter entwickelten und die recht simplen, drückenden Riffs der Vorgänger durch komplexere Songstrukturen ersetzten. Die Songs des Albums sind durchaus verschieden, wirken in ihrer Gesamtheit aber nie lieblos zusammengewürfelt.
Und nun konnte Sänger Tim Lambesis zum ersten Mal bei einem neuen Album auf die komplette Stammbesetzung des Vorgängers zurückgreifen. Neben den beiden Gitarristen sind dies Gründungsmitglied Jordan Mancino am Schlagzeug sowie Bassist Josh Gilbert. Und zum ersten Mal hat man bei Hören nicht den Eindruck dass die Band den Sound des Vorgängers völlig über Bord geworfen hat. Es sind nun kleinere Veränderungen welche die Band souverän an der Klippe namens Stagnation vorbeisegeln lassen, die vielen Bands aus dem Bereich zum Verhängnis wird.
Beim ersten Hören des Albums bleibt man aber erstmal relativ ratlos, zu ähnlich scheinen auf den ersten Blick die neuen Songs. Doch nach ein paar Durchläufen erschließen sich einem die neuen Songstrukturen und Feinheiten, und ab da wird das Album zu einem Genuss.
Die Platte startet mit dem brachialen „Beyond Our Suffering“, welches ohne Klargesang und mit vertrackten Riffs daherkommt und gleich einmal klarmacht, in welche Richtung es mit diesem Album geht: schneller Thrash mit Death-Einschlägen, Blastbeats und sparsam eingesetzten, intelligent in die Songs integrierten Breakdowns. Lambesis‘ Shouts sind brutal wie nie, im Vergleich zum Vorgänger hat er stimmlich noch mal eine Schippe draufgelegt. Früher war monotones Shouten an der Tagesordnung, heute sind diese variabel wie nie, ungewöhnlich hohes Keifen als auch tiefe Growls kommen hier zum Einsatz.
Der folgende Song „Anodyne Sea“ kommt ein Stück weit melodischer daher, zum ersten Mal kommt der Gesang von Bassist Josh zum Einsatz, weniger hart erscheint einem dieser Song jedoch nicht denn es geht auch hier z.T. rasend schnell zu. Der Mittelteil nimmt dann etwas das Tempo raus und hier dürfen sich Nick und Phil mit ihren Soli austoben, die teilweise dann doch etwas hart an der Grenze zum Kitsch wildern. Macht aber nix, technisch sind die beiden nämlich über jeden Zweifel erhaben, das spiegelt sich in sämtlichen Soli des Albums wieder.
„Without Conclusion“ macht von Anfang an keine Gefangenen und rauscht mit schnellen Soli, Blastbeats und anständig drückenden Thrash-Riffs am Hörer vorbei. Gerade der Anfang gibt Einblick in den Musikgeschmack der Jungs, kredenzt man hier nämlich ein lupenreines Gojira-Gedächtnis-Riff. Sehr löblich.
Mit dem folgenden „Parallels“ folgt einer der melodischsten Songs des Albums, nicht umsonst wurde für diesen Song ein Video gedreht. Nach einem temporeichen Start geht die Band diesen vergleichsweise gemäßigten Song relativ ruhig an, der mit einem tollen Refrain aufwartet und Josh dementsprechend viel Raum bekommt.
Damit man aber erst gar nicht den Eindruck bekommt dass AILD hier einen auf Weichspüler machen, ballern sie einem direkt „The Plague“ vor den Latz. Da klingt nicht nur der Titel fies, Tim begrüßt einen mit einem abgrundtiefen Growl und los geht’s. Was nun folgt sollte jeder Anfänger-Band als Lektion für intelligentes Songwriting dienen, die Nummer wandelt nämlich jenseits des 0815-Songwritings ala Strophe-Refrain-Bridge. Wer nach dem Beginn dachte dass hier über 3:00 die wilde Sau durchs Dorf brettert, ist auf dem Holzweg. Ganz großes Song-Kino, eines der Highlights der Platte mit Tempo-Wechseln, tolle Soli und sehr viel Atmosphäre.
Mit „Anger and Apathy“ behält man den „Ein Song ohne Klargesang, einer mit“-Rhythmus bei. Wieder gibt es arg pathetische Lead-Gitarren zum Einstand, wiederum eine gute Gesangsleistung von Josh und die Handbremse wird auch hier etwas angezogen. Allerdings hat man einen solchen Song von AILD auch noch nicht gehört, zu untypisch das Songwriting. Zum ersten Mal seit „Behind me lies another fallen soldier“ gibt es hier sogar unverzerrte Gitarren.
„Condemned“ beginnt bedrohlich, mündet dann in eine astreine Thrash-Nummer, die im Refrain mit flirrenden, dissonanten Gitarren doch ganz schön Eindruck macht. Tolle Nummer, die auch live sicherlich einiges kann.
Mit „Upside Down Kingdom“ folgt wieder ein relativ untypischer Song für AILD. Von der Stimmung her der wohl beklemmendste Song des Album, der die Albumnamen-gebende Textzeile enthält. Gerade dieser Song zeigt wie stark sich das Songwriting doch verbessert hat, von stumpfen palm mute-Schrammelriffs keine Spur und wiederum ein guter gesungener Refrain.
„Vacancy“ drückt wieder ein bisschen mehr aufs Gaspedal, hat wieder tolle (und zum Ende auch ungewohnte) Leads am Start und wird hoffentlich auch live auf den kommenden Gigs in Europa zu hören sein. Auch hier darf Josh wieder den Refrain singen, hier frag ich mich aber zum ersten Mal ob das wirklich sein musste. Der Refrain ist auf keinen Fall schlecht nur klingt er ziemlich gewöhnlich.
Mit „The only constant is change“ folgt der in meinen Augen schwächste Song des Album, irgendwie will wegen der vielen Breaks kein richtiger Fluss in die Nummer kommen und der 3/4-Takt im Refrain nimmt der Nummer auch ein gewisses Maß an Power.
Der letzte Song des Album „The blinding of false light“ kommt zwar ähnlich schleppend daher, wirkt aber schlüssiger und kommt mit melancholischen Gesang-Parts daher, die ich eher bei den Deftones vermuten würde als bei AILD. Macht aber nix, passt nämlich hervorragend. Eine starke, ungewohnte Nummer zum Schluss lässt das Album würdig ausklingen.
Was gesondert erwähnt werden muss, sind die Texte. Jeder, der sich mit der Band etwas genauer beschäftigt hat wird wissen dass alle Bandmitglieder bekennende Christen sind. Trotzdem kann man die meisten Texte vielseitig deuten, auch wenn einem der Bezug immer wieder deutlich wird. Gerade „Upside Down Kingdom“ und „The blinding of false light“ sind etwas deutlicher, sodass man sehr schnell erkennt worum es hier geht. Mich persönlich stört das überhaupt nicht, im Gegenteil, diese Band ist u.a. wegen den Texten meine Lieblingsband. Besonders „Anodyne Sea“, „Parallels“ und „The Plague“ haben es mir angetan.
Auch dieser Fakt ist dafür verantwortlich dass AILD zu jeder Zeit 2,3 Klassen besser sind als der Rest der Bands aus dem sog. Metalcore und den Beweis antreten dass man nach guten erfolgreichen Alben nicht stagnieren und sich auf den erarbeiteten Lorbeeren ausruhen muss. Davon darf sich Produzent Adam Dutkewicz gerne eine Scheibe abschneiden, schließlich stagniert seine Band Killswitch Engage seit ein paar Alben, auch wenn diese ebenfalls noch besser sind als viele Alben anderer Bands.
Sollte diese positive Entwicklung, die sicherlich einige nicht so gerne sehen, anhalten, steht AILD der Aufstieg in Größenregionen der Marke Lamb of God und evtl. sogar Slipknot bevor, verdient hätten sie es sich allemal.
Nach anfänglicher Skepsis bin ich also sehr zufrieden (lediglich der arg glatt polierte Sound schmälert den Hörgenuss ein kleines bisschen) und freue mich diebisch auf die anstehenden Konzerte.

Mittwoch, 19. Mai 2010

...weil wir Schwäne war'n

Turbostaat sind ein Phänomen. Die 5 Herren aus dem hohen Norden spielen Punk mit starkem Indie-Einschlag und vertrackten deutschen Texten. Was ist denn bitte ein „Fünfwürstchengriff“ oder was soll man sich unter Songtiteln wie „Charles Robotnik seine Frau“ vorstellen?
Die Texte strotzen nur so vor lauter interessanten sprachlichen Bildern und jeden Versuch, diese zu interpretieren, sollte man gleich sein lassen. Das macht nur die Musik kaputt und raubt den Songs das fesselnde. Wirklich greifbares würde man da eh nicht herausfiltern können.
Also geht man lieber auf ein Konzert, vergisst mal alles andere und lässt sich mitreißen. Und singt Zeilen wie „Wenn der Sommer kommt, erwürg mich im Maisfeld mit“, die für sich gesehen durchaus etwas seltsam anmuten aber im Ganzen, mit der Musik schlicht und ergreifend … wunderschön sind.
Am 8.5. gastierten Turbostaat in Gießen, für schmale 12€ durfte man an dem Spaß teilnehmen. Die Band legt ja bekannter weise viel Wert drauf, dass sie „bezahlbar“ ist. U.a. konnte man im Voraus das neue Album „Das Island Manøver“ (als CD oder LP) zusammen mit einem Ticket für 23€ bestellen, auf den Konzerten kosteten die Alben 10€ (auch beide Formate) und Textilien kosteten auch nicht viel. Daumen hoch dafür, macht die Jungs noch sympathischer als sie eh schon erscheinen.

Im Muk in Gießen musste man aber erstmal Frau Potz aus Kiel über sich ergehen lassen, wobei so schlimm waren sie dann doch nicht. Aber auch nichts besonderes, Punk mit recht platten deutschen Texten und latentem Indie-Einschlag. Klingt ja erst mal nicht viel anders als Turbostaat, nur der Unterschied ist: Turbostaat sind nicht peinlich.
Knappe 30min durften die Kieler spielen, erspielten sich ordentlichen Anstandsapplaus und verschwanden nach dem Gig sofort hinter dem Merchtisch um ihre Ware an den Mann oder die Frau zu bringen

Die Umbaupause zu Turbostaat zog sich dann doch recht lange hin, obwohl eigentlich schon alles an Equipment auf der Bühne stand.
Los ging’s dann letztendlich mit „Drei Ecken – ein Elvers“ vom Debüt „Flamingo“. Das gut gefüllte MuK war sofort äußerst tanz- und singwillig, das steigerte sich dann aber noch mit dem folgenden „Bei Fugbaums“. Aus hunderten Kehlen tönte „Und der Nachttisch voller Bilder, viel zu blau, viel zu grün, viel zu grell und viel zu hell“, die Stimmung war prächtig und die Band kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Insbesondere Ober-Sympath Jan schien ehrlich begeistert zu sein, machte die ein oder andere authentisch wirkende Ansage, wie sehr sich die Band doch freue dass alle mitsingen, die Alben kaufen und es der Band ermögliche Musik zu machen. Sowas feuert eine feiernde Menge natürlich an, dementsprechend ging es während dem gesamten Konzert hoch her. Ich hab selten ein Konzert erlebt, dass keinen einzigen Stimmungshänger hat, wie es hier der Fall war. Das neue fantastische Album „Das Island Manøver“ wurde fast komplett gespielt, sogar der genannte „Fünfwürstchengriff“ inklusive Drumcomputer wurde als letzte Zugabe gespielt. Verdient hat es das Album auf jeden Fall, da es eigentlich keinen schlechten Song enthält und reihenweise Ohrwürmer parat hat. Dazu kamen viele Lieder des Vorgängers „Vormann Leiss“, ein Album dass meiner Meinung nach zu den besten deutschsprachigen Alben aller Zeiten gehört. Dadurch fielen natürlich einige ältere Songs raus, was mich allerdings nicht störte da die letzten beiden Alben mich einfach mehr fesseln. U.a. wurden „Monstermutter“, der o.g. Opener und als vorletzten Song das fantastische „Schwan“ gespielt.

Nach ungefähr 80min (inklusive 5-6 Songs als Zugabe) war dann Schluss, die Band wurde anständig gefeiert und verschwand dann von der Bühne. Übrig blieben viele glückliche Gesichter, das hippe Indie-Mädel grinste genauso wie der langhaarige Metalhead, an dem Abend waren nämlich sämtliche Subkulturen vertreten, die eine mehr und die eine weniger peinlich. Und genau das ist das erwähnte Phänomen, so verschieden die einzelnen Szenen auch sind, es scheint einen gemeinsamen Nenner zu geben: Turbostaat.