Montag, 26. April 2010

Cypress Hill - Rise up

Eins mal kurz vorweg: Die Idee zu dem Blog kam, wie schon erwähnt dadurch, dass ich mit einem gewissen E.W. ewig viel über Musik geschrieben habe. Damals schon haben wir daran gedacht, zu zweit einen solchen Blog zu machen. Technisch bedingt gibt es derzeit aber nur mich als Autor, das wird sich aber bald ändern.
Das folgenden Review stammt also nicht aus meiner Feder, sondern aus der eines bekennenden Cypress Hill-Fans und -kenner.


First they ditched the funk, then they ditched the Boom-Bap - and now this?!
So lautet eines von vielen Zitaten zu den Höreindrücken des neuen Albums von Cypress Hill "Rise Up". Nach 6 Jahren meldet sich die Gruppe wieder zurück an der Oberfläche. Wer genau hinschaut, erkennt auf etwaigen Fotos im voraus entweder nur drei Gruppenmitglieder oder einen Typen hinter dem Mischpult, der jetzt der Tourersatz (Julio G vom Westcoast Radio) für die wichtige, zentrale und nun vor allem fehlende Figur ist: DJ Muggs.
Niemand hat der Band je den Vorwurf gemacht etwas neues auszuprobieren. Wenn aber der Mann fehlt, der mit seinen Produktionen und Weisungen seiner Rapper der Band den Kultstatus mit ihrer "bicoastal production" den Weg gewiesen hat, ist die Sorge berechtigt, ganz besonders wenn statt seiner der berühmte Frontmann mit der nasalen Stimme, B-Real, das Ruder übernommen hat. Der hatte mit seinem Soloalbum Smoke'n'Mirrors nämlich auch keinen Glücksgriff gelandet.

Erstmal kann jedoch gleich in zweierlei Hinsicht Entwarnung gegeben werden. Einerseits, weil selbst die beiden Tracks von Muggs auch nur von ihm co-produziert sind und nur einer wirklich gut ist. Zweitens, weil B-Reals Produktionen durchschnittlich, aber kein kompletter Reinfall sind.
Darüber hinaus besitzt das Album durchaus einige Lichtblicke, die aber rar gesäht sind. "Light It Up" z.B. zeigt auch mal wieder den guten, alten Pete Rock in Höchstform. Tom Morello lässt Cypress verdammt nach Rage Against The Machine klingen, was aber in diesem Fall nur positiv zu sehen ist, wenn man bedenkt wie verzahnt die Aufstiegsgeschichte der beiden Bands ist. Ansonsten geben sich besonders in der Produktion weitere Gäste die Klinke in die Hand. Erwähnenswert ist hier Jim Jonsin, der mit seinen zwei Beiträgen wirklich etwas sehr gutes liefert, im Gegensatz zu dem Unsinn den er normalerweise mit Lil Wayne verzapft. Unverständlich ist aber, warum B-Real bei der Trackauswahl das schon ewig bekannte und ursprünglich gar nicht für das Album geplante "Get Em Up" auf das Album gepackt hat und stattdessen eine Produktion mit DJ Premier (!) oder eben die Tracks mit Ill Bill, Apathy oder Slash verworfen hat. Gerade ersteres ist zumindest für mich ein feuchter Traum.
Trotz allem hätte ich mir aber lieber einen weniger feature-lastigen LP gewünscht, besonders nachdem das seinerzeit auch mal von Sen Dog angekündigt wurde.

Insgesamt sind gerade die Produktionen das Problem des neuen Cypress-Hill-Albums. Von einem Ausflug in andere Gefilde kann man zwar schon sprechen, aber er verläuft leider nicht immer glücklich. Man merkt zwar, dass besonders ein schnelleres Tempo neuen Wind bringen sollte, jedoch klingt einfach zuviel zu beliebig. Und ob es nicht mehr nach Cypress klingt? Darüber will ich mich eigentlich gar nicht echauffieren. Gegen neue Wege habe ich nichts, aber bitte nicht so!
Was wiederum zumindest für mich kein Grund zum meckern ist, sind die Auftritte von B-Real und Sen Dog als Rapper. Letzterer hat mit seinem Soloalbum gezeigt, dass er völlig zu Unrecht über die Jahre hinweg bei Cypress nur die zweite Geige gespielt hat und nicht mal öfter am Start war. Einzig "Armada Latina" macht Sen Dog nicht so gut. Davon mal abgesehen, sind seine Auftritte jedoch klasse und er ist darüber hinaus fast auf jedem Track zu hören, was bei früheren Alben durchaus bemängelt werden durfte. B-Real wiederum ist einfach einer der besten MCs. Er klingt vielleicht nicht mehr ganz so quietschig und weed-verrückt wie früher, aber rappen kann er noch immer - wenn schon nicht gut produzieren, dann wenigstens das. Ebenfalls erwähnenswert ist die Verstärkung des "back and forth"-Aufbaus der Reimerei. Sehr gut!

Bevor es nun abschließend zu einem Urteil kommt, präsentiere ich hier die Tracklist und meine hochgestochenen Kommentare zu jedem einzelnen Titel:

1. It Ain't Nothin (Gast: Young De, Produktion: B-Real)
Nach einem Skit kommt der wohl schlechteste Einstieg den es je auf einem Cypress-Album gab. Besonders die Drum-loops klingen irgendwie nach einem viel zu clubähnlichen Sound, den B schon auf Smoke'n'Mirrors hatte. Young De, B-Reals Protege dieser Tage, ist nur auf der Hook vertreten, was zahlreiche Fans gefreut hat. Ich finde seine zwei Zeilen hier ganz okay. Insgesamt geht mir der Track nach mehrmaligem Hören schon etwas besser ab, jedoch würde ich nur noch 5.5/10 vergeben.

2. Light It Up (Produktion: Pete Rock)
Dieser von Pete Rock produzierte Track ist mein Favorit auf dem Album. Die beiden Rapper klingen wie in früheren Tagen. Und wenn Sen Dog sagt Pete Rock und der Hill seien eine gute Combo, dann stimmt das voll und ganz. Eine kleine Ironie am Rande: Während Pete Rocks letztes Album besonders wegen dessen fast schon kinderhaften Reimen verschmäht wurde, sind es bei B-Real die Produktionen. Der Track ist jedenfalls fein. Eine Höchstwertung vergebe ich aber nicht, da durch das schon auf dem verstreckten Roots Track vom Album "The Tipping Point" (2004) eingesetzte Sample von Barry White dem anderen Track einfach zu ähnlich klingt. Daher 9/10.

3. Rise Up (Gast: Tom Morello, Produktion: Tom Morello & B-Real)
Der Titeltrack gehört zu den weiteren Perlen des Albums. Auch hier ist es wieder Sen Dog, der besonders positiv mit seiner zweiten Strophe und dem Michael-Myers-Vergleich auffällt. Bemängeln könnte man jetzt höchstens die letzte lahme Hook sowie das für Morello-Verhältnisse eher standardmäßige Solo. 9/10.

4. Get It Anyway (Produktion: Jim Jonsin)
Der erste Jonsin-Track gefällt mir erstaunlich gut. Ein melodisches Ding, dass an Tracks vom Vorgängeralbum "Till death do us part" erinnert. Ebenfalls einer der besseren Stücke des Albums. 8/10.

5. Pass The Dutch (Gäste: Evidence & Alchemist, Produktion: DJ Khalil & DJ Muggs)
Ev & Alc gehören schon lange zur Familie der Soul Assassins und sind vernünftige Gäste für diese typische Marihuanahuldigung. Doch der Alchemist kann raptechnisch mit B-Real und Evidence nicht mithalten, wie man leider schon auf anderen Stücken von ihm erkennen musste. Schuster, bleib bei deinen Leisten! Alchemist ist ein würdiger Muggs-Nachfolger was die Produktion angeht, jedoch auch nur ein durchschnittlicher Rapper. Ach ja, und wenn wir von der Produktion sprechen: Ich habe bewusst zuerst Khalil genannt. Der erprobte Hörer wird nämlich sofort diesen als treibende Kraft des Tracks identifizieren können. Von DJ Muggs ist hier wenig zu hören. Trotzdem sehr gut: 9/10

6. Bang Bang (Produktion: B-Real)
Wie viele Songs mit diesem Titel gibt es eigentlich? Nun ja, auch dieser hier wird sich nicht in der Riege der Banger erheben. Der Beat ist langweilig und eintönig, das hochgepitchte Sample braucht es einfach nicht. Ein Teil der Flop 3, wenn man so will, vielleicht sogar der mieseste auf dem ganzen Album. 3/10

7. K.U.S.H. (Produktion: Sick Jacken & B-Real)
Leider eine weitere kleine Enttäuschung. Sick Jacken, der mit seinem Bruder Big Duke und B-Real das legendäre erste Psycho-Realm-Album auf die Beine gestemmt hat, leistet hier mit dem Beat zwar solide Arbeit, aber überragend ist der Track leider nicht, besonders in der Hook und der schnöden Aufzählerung wer jetzt alles down mit dem Hill ist. Zugute halten könnte man, dass hier ein etwas flinkeres Weed-Anthem ausprobiert wird. 7/10.

8. Get 'Em Up (Produktion: B-Real)
Dieses Stück war der erste vollständig releaste Track (u.a. auf dem OST des Spiels Madden 2010 zu finden). Ein böses Omen dazu: Eine Produktion von B-Real, die wie alle anderen nicht grottenschlecht, aber auch nur durchschnittlich ist. Pluspunkt ist hier wieder Sen Dog, auch wenn sein Intro schon etwas bescheuert anmutet. 6/10

9. Carry Me Away (Gast & Produktion: Mike Shinoda)
Von allen Gästen dürfte dieser Name in der Liste besonders in Auge fallen und bei den ganz harten Hardcore-Leuten zu einem Herzinfarkt führen. Doch eine kurze Story vorneweg: Shinoda hat für den Rapper Apathy auf dessem neuen Album einen Track namens "Shoot First" produziert, auf dem auch B-Real vertreten ist. Und zu Überraschung aller klang dieses Stück verdammt nach 1993. Auch B-Real ist einfach grandios auf diesem Track. Also hat der Optimist ein ähnliches Stück erwartet.
Leider ist "Carry Me Away" kein zweites "Shoot First" und ziemlich gewöhnungsbedürftig. Mit einem schmachtenden Shinoda an der Hook werde ich wohl nie warm, dafür ist die erzählte Story gut und auch die Produktion in Ordnung, wenngleich sie in gewisser Weise schon typisch Linkin Park zugeordnet werden kann. Na ja. Im Moment: 6/10, vielleicht wirds aber noch besser.

10. Trouble Seeker (Produktion: Daron Malakin)
Obwohl ich den Gitarristen von System of a down nicht mag, liefert er hier doch einen echt geilen Song ab. Der Track klingt wie zu besten Skull & Bones-Zeiten und ist, für Cypress-Verhältnisse in ihrer Rocksparte, sehr klassisch geraten. Mehr muss man auch nicht sagen. Wer die Bones-Seite mochte, wird den Track lieben. 9/10

11. Take My Pain Away (Gast: Everlast, Produktion: DJ Khalil & DJ Muggs)
Der zweite Khalil/Muggs-Track ist ebenfalls eher schlecht. Sen Dog ist nicht vertreten und so muss B-Real alleine ran, während Everlast, ebenfalls langjähriger Kollege, ihn auf der Hook unterstützt. Nun gut, unterstützt ist das falsche Wort, denn was hier als Hommage an die Doors gesungen werden sollte, klingt einfach grässlich. Und auch beatmäßig hat Khalil schon besseres verzapft. Nach dem ersten Hören war ich eher schockiert, mittlerweile geht es. Aber nur etwas. 4.5/10

12. I Unlimited (Produktion: B-Real)
Man kann sich schon denken, was jetzt kommt: Durchschnittliche, ewig im loop hängende B-Real-Produktion. Dafür wird ein wenig rumgescratcht, was zumindest dahingehend Abwechslung verspricht. Weiterhin ist die Hook, wie auf einigen anderen Tracks auch, eher lahm. Dafür aber entschädigt der Track, wenigstens meiner Meinung nach, vieles durch das erwähnte abwechselnde Auftreten der beiden Rapper. Daher gibts 7/10 für das Ding, das trotz der negativen Aspekte irgendwie Gefallen bei mir findet.

13. Armed & Dangerous (Produktion: Jake One & B-Real)
Inhaltlich ist der Track mit dem Hinweis auf eine üppige Bewaffnung eher belanglos. Aber schlecht eigentlich nicht. Jake One, der u.a. mit Slug von Atmosphere gearbeitet hat, ist außerdem ein vielversprechender Produzent und lässt den Song glücklicherweise mehr nach sich als nach B-Real klingen. Ein Teil fürs Auto. 7/10

14. Shut 'Em Down (Gast: Tom Morello, Produktion: Tom Morello & B-Real)
Der zweite Beitrag mit Morello beginnt mit einem verdammt bluesigen Intro, ehe er ähnlich wie "Trouble Seeker" in dieser Rockausrichtung verdammt nach alten Cypresstagen klingt. Dieser Track hier ist zwar nicht ganz so gut wie "Rise Up", aber doch ebenfalls eines der guten Stücke des Albums. 8/10

15. Armada Latina (Gäste: Pitbull & Marc Anthony, Produktion: Jim Jonsin)
Hierzu wieder ein tolles Zitat: "Glad I never got that cypress hill tattoo… the homies would beat my ass after hearing this new gay shit". Nun, ist es wirklich so schlimm? Ich finde nicht. Während der Track entweder maßlos gehasst oder zum nächsten Sommerhit verklärt wird, ist dieses Stück nicht so gut wie die andere Latinsongs von Cypress wie "Latin Lingo", "Tequila Sunrise", "Lowrider" oder "Latin Thugs". Das liegt daran das sowohl B-Real und gerade auch Sen Dog auf den besagten Tracks besseres abliefern. Zweitens ist die Produktion auf jeden Fall gut, aber ebenfalls nicht so organisch wie zum Beispiel bei Tequila Sunrise, das noch mit extra eingespielten Instrumen daherkommt. Drittens dürfte nicht jeder mit den Gästen warm werden. Pitbull liefert in der Regel Scheußliches ab, während man Marc Anthony einfach nicht mit dem Hill in Verbindung bringen würde. Aber mir gefällts. 7/10

Noch eine kurze Statistik (Empiriker eben): Insgesamt gäbe es 150 Punkte zu erreichen. Wenn ich mich nun nicht verrechnet habe, erhält Rise Up aufgerundet (wir wollen mal nicht so sein) 96 Punkte. Noch interessanter ist aber, dass zumindest ich keinem Track die Maximalpunktezahl vergeben würde, also das Album einen Track hätte, welcher nach Cypress-Maßstäben perfekt wäre. Würde mir jemand eines der Vorgängeralben vor die Füße werfen, fänden sich da mehr als genug. Freilich bin ich bei der Bewertung dieses Albums besonders kritisch gewesen, was aber nur an der hohen Messlatte liegt, welche der Hill über die Jahre hinweg selbst so hoch gehängt hat.
Noch ein kurz zur Aufmachung der CD-Hülle sowie des Booklets: Gut, aber irgendwie wirkte es auch ein wenig wie von RATM recyclet. Der Cypress-Stil stand immer für Totenköpfe. Warum nun olle wehende Fahnen? Immerhin passen sie zu den Revoluzzer-Skits vor einigen Tracks, wenngleich dieses Gehabe natürlich recht ausgelutscht ist.

Das Fazit: Produktion in vielerlei Hinsicht flop, Lyrics durchschnittlich bis top. Cypress Hill bietet einerseits klassisches Material und hat sich auch weiter entwickelt, ohne jedoch in beiderlei Hinsicht wirklich komplett überzeugen zu können. Zumindest die drei Rocktracks sind sehr gut geraten, was dem Hill in der breiten Masse sicher positive Rückmeldungen für diesen Longplayer bescheren wird.
Was dem Album gut getan hätte, wäre, wenn DJ Muggs schon selbst kein Interesse mehr an der Gruppe zeigt die ihn groß gemacht hat, einfach Produzenten, die wissen müssten wie der Hill klingen sollte. The Alchemist, rappender Gast auf "Pass The Dutch", fiele mir da sofort ein, gerade wo sich doch Gerüche darum ranken er hätte ein Großteil der Samples von Temples of Boom mitverantwortet! Auch den guten Fredwreck könnte man mal wieder anrufen, so der mal wieder auf was anderes Lust hätte als auf Produktionen für Britney Spears. Oder eben man verhilft Pete Rock zu positiven Meldungen und setzt gleich 5 bis 6 Tracks auf die Tagesanordnung anstatt nur einen. Und eben: B-Real gehört geschlagen für seine Beats.
Alles in allem also ein eher misslungenes Comeback für das es viele Gründe gibt. Jedoch kann man glücklicherweise immer noch sagen, dass Cypress Hill selbst mit einem schlechten Album besser klingen als viele, viele andere Hip-Hop-Künstler dieser Tage.

(geschrieben von E.W.)

Donnerstag, 15. April 2010

... but we say!

Die Lostprophets hab ich beim letzten Eintrag glatt vergessen zu erwähnen. Die sind nämlich auch eine der Bands, die musikalisch einen ziemlich großen Einfluss auf mich und meinen musikalischen Werdegang hatten. Need for Speed sei Dank hab ich vor ca. 7 Jahren "To hell we ride" gehört und kurze Zeit später das Album gekauft. Kurz darauf war's um mich geschehen, die Platte ist so oft gelaufen dass sie im wahrsten Sinne des Wortes kaputtgehört wurde: sie geht wirklich nicht mehr, zuviele Gebrauchsspuren.
Sei’s drum, dafür sind die jetzt etwas ausführlicher dran. Der Grund dafür: die Tour zum aktuellen Album „The Betrayed“. Gestern machte der Tourtross im Wiesbadener Schlachthof Halt und ich konnte die Jungs endlich mal in einem Club sehen, bisher hab ich sie nur einmal bei Rock am Ring im Jahr 2008 gesehen und der Auftritt war ziemlich gut. Und da Konzerte im kleineren Rahmen ja meist besser als Festival-Gigs sind, machte ich mich selbstverständlich auf den Weg in die hessische Landeshauptstadt.
Die aktuelle Langrille knüpft stilistisch an den recht poppigen Vorgänger „Liberation Transmission“ an, auch wenn sie insgesamt etwas düsterer ausfällt. Die rohen Zeiten von „Thefakesoundofprogress“ oder „Start something“ sind zwar (leider?) vorbei, aber live bekommt man solche Perlen wie „Last train home“ oder „Shinobi vs Dragon Ninja“ noch immer zu hören. Und um eines schonmal vorweg zu nehmen: diese Songs haben geknallt wie sonstnix!
Aber der Reihe nach, erstmal mussten wir den Support der Waliser, The Blackout über uns ergehen lassen. Meine Begleitung formulierte das ganz passend mit „Die sind wie Simple Plan, nur lauter.“ Da half es auch nicht, dass die ersten beiden Songs noch etwas derber zur Sache gingen aber der Wechsel zwischen (screamo-)Geschrei von Sänger Nr. 1 und süßlich poppigem Gesang von Sänger Nr. 2 machte das Ganze nicht wirklich erträglicher, eher im Gegenteil. Dem Großteil des Publikums scheint’s aber gefallen zu haben, es waren einige Blackout-Shirts zu sehen. Und auch das bekannte „Ihr kniet euch alle hin und wenn der Song losgeht springt ihr alle“-Spielchen lief ganz gut, auch wenn die Bengels recht lange betteln mussten damit ein paar Herren in den vorderen Reihen sich auch hinknieten. Ich fand’s aber ehrlich gesagt auch ziemlich panne, dass man sich vorne hinstellt und bei sowas Spielverderber spielt. Wenn man auf die Vorband keinen Bock hat, stellt man sich an die Bar, trinkt Bier und schreit vielleicht noch in den Songpausen „Slayer“…
Nach den beiden ersten Songs kam dann zumindest bei mir große Langeweile auf, denn nach dem zugebenermaßen recht flotten Einstieg gab es nun knappe 30min Pop-Punk/Collegerock/Mädchen-/wasweißich-Musik. Das hat man alles schon zigmal „in besser“ gehört, selbst die vorhin zum Vergleich herangezogenen Simple Plan haben mir live besser gefallen. Der letzte Song rumpelte zwar nochmal recht derbe durch die PA, aber selbst Blastbeats haben das Ganze nicht wirklich aufgewertet. Wir haben uns jedenfalls geärgert, dass wir nicht doch einen Zug später genommen haben.
Die Umbaupause vor den Lostprophets zog sich dann über eine knappe Dreiviertel-Stunde, obwohl bis auf die Mikros das gesamte Equipment schon bereit stand. Viel zu lange für meinen Geschmack, soviel Zeit dürfen sich nur Metallica lassen. Immerhin lief in der Zeit NOFX aus der Konserve, aber auch die können keine 45min bei Laune halten.
Los ging’s dann endlich mit dem Opener der neuen Scheibe, „If it wasn’t for hate, we’d be dead by now“. Und sofort Schock Nr. 1: Sänger Ian Watkins Stimme war so dermaßen wackelig und heiser/erkältet/sonstwas, dass er fast den gesamten Song über die Gesangslinien veränderte und so tief wie möglich sang. Bei dem Zustand der Stimme allzu verständlich aber doch irgendwie schade. Enttäuschung Nr. 2 folgte dann auf dem Fuße, denn anstatt (wie auf Platte und wie von mir erwartet) gleich den härtesten Song der neuen Scheibe Dstryer/Dstryer hinterzuballern, gab es eine kleine Pause und dann die Single „It’s not the end oft he world, but I can see it from here“. Fand ich persönlich schade, denn nach dem stimmungsaufbauenden Einstieg hätte man gleich die Halle auf Betriebstemperatur bringen können. Ob’s nun an der Songauswahl lag, an der in der ersten Hälfte nicht stattfindenen Kommunikation mit dem Publikum oder an der stimmlichen Schwäche von Watkins… ich weiß es nicht. Bei „Burn, burn“ im Anschluss ging das Stimmungsbarometer zwar in die Höhe und stieg kontinuierlich an aber erst bei „Last train home“ kochte die Stimmung über. Was da abging war unfassbar: die gesamte Halle springt, singt lautstark mit und spätestens zu dem Zeitpunkt war Watkins seltsamerweise stimmlich (fast) voll auf der Höhe und die Band grinste wie eine Bande Honigkuchenpferde. Ich liebe diesen Song und befand mich da auch in einem Zustand völliger Glückseligkeit.

Ein paar Songs später wurde mit „Everyday combat“ und dem Rausschmeißer „Shinobi vs Dragon Ninja“ vom Debüt „Thefakesoundofprogress“ (2000) leider schon der reguläre Teil des Sets beendet. Es ging natürlich das übliche Zugabe-Spielchen los und nach „The light that burns as twice as bright“, das Ian alleine singend beendete und erleichtert den Mikroständer umknallte, war dann nach ca. 85min endgültig Schluss.

Insgesamt war es ein tolles Konzert, trotz der „Startschwierigkeiten“. Besonders hervorheben muss dabei auf jeden Fall den Keyboarder, der Ian viel Gesang abnahm, insbesondere das Geschrei und seine Sache wirklich fantastisch machte. Außerdem gab es viele Improvisation, u.a. „Eye of the tiger“ und „Time of my life“ (sic!), die jeweils als Intro für einen regulären Song dienten. In der zweiten Konzerthälfte wurde auch viel mit dem Publikum geredet, was der Stimmung sehr zu Gute kam. So wurde man aufgefordert einen Song von Lady Gaga zu singen, aber dem kam das Publikum nicht nach und sang stattdessen „Du hast die Haare schön“. Fanden die aber auch gut, Ian konterte das dann einfach mit ein paar Deutsch-Brocken ala „Deutschland, ich lieben Dir“ oder „Das war ein bisschen scheiße“. Und klar, wir waren natürlich das beste Publikum der Tour. Wie jede andere Stadt wahrscheinlich auch ;)
Was dem Konzert ebenfalls gut tat: Der Schlachthof war nicht ausverkauft und deswegen das hintere Drittel der Halle abgehängt. Trotzdem war der offene Teil der Halle ziemlich voll und es kam sogar etwas Clubatmosphäre auf. Im kleineren Rahmen kommen die Songs einfach besser als Mittags auf einer riesigen Festival-Bühne.
Die Show wurde außerdem für eine DVD gefilmt, in der Halle standen überall Kameras verteilt und die Band wies während der Show auch darauf hin, was vom Publikum mehr als wohlwollend aufgenommen wurde. Man darf gespannt sein ob das mitgeschnittene Material irgendwann veröffentlicht wird. Ich fänd’s natürlich toll, insbesondere wenn sie das nicht groß nachbearbeiten und den holprigen Anfang so lassen wir er ist. Aber warten wir es ab.
Den „Last train home“ haben wir dann auch bekommen.
Der Abend war schön :)

Die Setlist (keine Gewähr für die Richtigkeit und Reihenfolge, die ist nämlich vom Tilburger Konzert aber müsste eigentlich mit der Show in Wiesbaden übereinstimmen):

If It Wasn't For Hate We'd Be Dead By Now
It's Not The End Of The World But I Can See It From Here
Burn Burn
Darkest Blue
A Better Nothing
Start Something
Can't Catch Tomorrow (Good Shoes Won't Save You This Time)
Last Summer
For He's A Jolly Good Felon
A Town Called Hypocrisy
Last Train Home
Where We Belong
Rooftops (A Liberation Broadcast)
Everyday Combat
Shinobi Vs. Dragon Ninja

The Light That Burns Twice As Bright

Montag, 12. April 2010

Quo vadis, Musikgeschmack?

Sie sind selten geworden, diese Momente in denen eine neue, bisher unbekannte Band einen den Atem anhalten lässt. Zuviel hat man schon gehört, so ziemlich alle Genres abgegrast, die Perlen raus gepickt und liebevoll auf die Kette gefädelt, welche den eigenen Musikgeschmack darstellt. Gänzlich neues findet man so gut wie gar nicht mehr, nur noch Bands, die dem bisher Bekannten eine kleine Prise Innovation hinzufügen.
Das ist eigentlich irgendwie schade, weil gerade die Phasen, in denen man eine völlig neue Musikrichtung für sich entdeckt hat, im Rückblick häufig die spannendsten waren die man in der Hinsicht erlebt hat.
In meinem Fall sah das so aus: um das Jahr 2000 herum überflutet eine Welle, die sich New Metal nennt sämtliche Musiksender des Landes und legt bei mir den Grundstein für meinen musikalischen Werdegang. Es gab wohl kaum einen pickligen (Möchtegern-) Teenager, der sich dem Album „Chocolate Starfish and the Hotdog Flavoured Water“ von Limp Bizkit irgendwie entziehen konnte. Was heute unter den besonders trven Kollegen als peinliche Jugendsünde gern unter den Tisch gekehrt wird, ist für viele (inklusive meiner Wenigkeit) immer noch geiler Scheiß. Ich bin wohl nicht der Einzige, der selbst nach jahrelangem Nicht-Hören der Platte wahrscheinlich noch jedes der „46 fucks in this fucked up rhyme“ mitgrölen kann.
Der nächste Meilenstein kam dann in Gestalt von System Of A Down, die mit „Toxicity“ 2001 wohl eines der wichtigsten Metal-Alben des neuen Jahrtausends auf die Menschheit losließen. Ähnlich wie Limp Bizkit hatten die 4 Herren eine ähnliche Wirkung auf mich, den damals 12-jährigen Bengel, der so langsam begriff dass es neben Good Charlotte und ähnlich harmlosen Konsorten auch ernstzunehmende Musik gibt. Ich hab keine Ahnung, wie oft ich mir bisher dieses Album reingepfiffen habe, damals lief das den ganzen Tag rauf und runter. Wochen- und monatelang.
Im Jahr 2003 schickte sich dann eine Band an, der Welt zu beweisen dass sie immer noch Feuer unterm Hintern hat und man auch mit Blechtrommeln gehörig Arsch treten kann. Die Rede ist natürlich von Metallica, deren Album „St. Anger“ zumindest mir so dermaßen die Fresse polierte, trotz des Sounds, den man eher bei einer weitestgehend talentfreien Möchtegern-Metalband aus Hintertrottelshausen vermutet, die mit Muttis Kochgeschirr und dem Kassetten-Rekorder der kleinen Schwester ihre musikalischen Ergüsse auf Band hauen musste.
Nachdem ich mir die gesamte Diskographie gezogen hatte, schwang sich Metallica zur Lieblingsband #1 auf. Diesen Status hat sie bis heute, auch wenn sie sich diesen Platz mit einer Band teilen muss, die mit einer musikalischen Welle, die gerne als „Mädchenmetal“ bezeichnet wurde, in mein Blickfeld geriet:
As I Lay Dying
Irgendwann im Jahr 2005 lief auf Viva noch gute Musik, leider immer erst recht spät. So kam es dass ich völlig übermüdet irgendwann nachts das erste Mal das Video zu „Confined“ sah. Ehrlicherweise hat mich damals diese Mischung aus fiesem Gebolze, Growls und Klargesang ziemlich eingeschüchtert. Das war nämlich um einiges härter als das, was Bullet For My Valentine mit ihrer ersten EP aufgefahren hatte. Jene hatten kurz zuvor einiges an Aufsehen erregt, im Freundeskreis wurden die gnadenlos abgefeiert. Bands wie Trivium, die ungefähr zeitgleich ihre Alben auf den Markt brachten, zogen einen ganz schön großen Rattenschwanz an Nachahmern mit sich, von denen der Großteil glücklicherweise wieder verschwunden ist.
Das war’s dann aber auch für eine lange Zeit mit „richtigen“ Neuentdeckungen, es gesellten sich lediglich ein paar hoch talentierte Bands dazu. Erwähnenswert sind da z.B. Darkest Hour, eine der ersten Bands die Hardcore und Metal mischten und bis heute fast mit die wichtigste in dem Genre.
2009 gab’s dann endlich mal wieder einen „Knall“: irgendwo schon immer im Hinterkopf gehabt (Berichte in einschlägigen Musikmagazinen sei Dank), platzten auf einmal Mastodon mit einem Album herein, dass mit Sicherheit in ein paar Jahren Klassikerstatus hat. Das Meisterwerk „Crack the skye“ war zwar weniger hart als die Vorgänger, doch nach meiner Ansicht besser als alles, was die 4 Amis zuvor veröffentlicht haben. 7 sehr intensive, alle möglichen Rockarten (von 70’er-Jahre-Rock bis Sludge und Progressive) vereinende Songs, ca. 50min Laufzeit, tolles Artwork und eine abgefahrene Story über einen behinderten, im Rollstuhl sitzenden Jungen … all das ergibt das mit Abstand beste Album des vergangenen Jahres. Der ergreifende Refrain von „Oblivion“ sowie die überlangen Songs „The last baron“ und „The czar“ sind so einnehmend dass ich über Wochen fast nichts anderes gehört habe.
Und da nunmal die Progressive-Schublade offen war, hab ich Ende letzten Jahres eine weitere fantastische Band kennengelernt: Opeth
Diesen Stilmix aus Death Metal, Progressive und Rock mit akustischen Elementen kann man anfangs als gewöhnungsbedürftig empfinden aber wenn man sich drauf einlässt entdeckt man unglaublich fantastische Musik. Ausschlaggebend dafür ist Band-Kopf Mikael Åkerfeldt, dessen Gesang zwischen tiefen Growls und wunderschönem, klaren Gesang wechselt. Die Songs sind zumeist länger als 5min, häufig überschreiten sie auch die 10min-Marke. Melancholisch, aufwühlend, zum Nachdenken anregend und mitreißend. Gerade für Herbst- und Wintertage geeignet und definitiv zeitlos.
Und diese Band ist eigentlich der Grund für diesen Eintrag, ich hab mich nämlich nach dem ersten Durchgang der „Watershed“ gefragt: Wann hat Dich eigentlich das letzte Mal Musik so geflashed? Klar, Mastodon aber davor gab es lange nicht mehr diesen absoluten „Wow!“-Effekt. Ansatzweise war das noch bei Gojira der Fall, einer (oh Wunder!) progressiven Death Metal-Band aus Frankreich. Irgendwie scheint lediglich diese Sparte dieses „So was Geiles hab ich schon lange nicht mehr gehört!“-Gefühl auszulösen.
Aber warten wir mal die neue As I Lay Dying-Platte „The powerless rise“ ab, darauf warte ich schon ganz hibbelig. Fanboy und so ;)