Sonntag, 3. Oktober 2010

White Flag

Nichts verkörpert Emotionen besser als Musik. Man kann auf Wolke 7 hervorragend Jack Johnson hören, hat man emotional richtig auf die Schnauze bekommen, darf „Niemals“ von Farin Urlaub wohl nicht fehlen. Der gute Mann hat ja sowieso für sämtliche Lebenslagen Lieder parat, die einen immer wieder denken lassen: „Das klingt ja so als hätte der das für mich geschrieben!“ Gute Laune feier ich gerne mit der „Liberation Transmission“ von den Lostprophets. Sonne, Strand und Temperaturen jenseits der 30°, dann macht die Platte erst richtig Spaß!
Richtig frustriert hört es sich „Fractures“ von Killing The Dream hervorragend. Ja verdammt, das muss laut sein, das muss wehtun und das muss so verzweifelt und wütend sein, dass man denken könnte, der Sänger hätte in der Gesangskabine schon den Strick um den Hals hängen! Das muss einfach so sein und „Nein Mutti, ich mag stattdessen jetzt keine klassische Musik hören und mir ist es scheißegal ob die beruhigend ist oder nicht...“

Doch was hört man, wenn man innerlich einfach nur doch die weiße Fahne schwenken möchte?
Neben den hier bereits besprochenen Underoath ist mir in der letzten Zeit eine Band ans Herz gewachsen, die sich (oh Wunder!) in ähnlich geistlichen Gefilden tummelt wie eben Underoath oder auch As I Lay Dying. Ist aber für den Hörer, der damit überhaupt nichts anfangen kann und/oder will auch kein Problem, hier wird einem weder die Bibel um die Ohren gehauen noch geht es darum, dass man bitteschön jeden Morgen um 10 in den Gottesdienst und zig Vaterunser zu beten hat.
Hat man sich also trotz dieses durchaus streitbaren Themas („Was hat Religion überhaupt im Metal zu suchen? Das muss alles voll böse sein! SLAYER!“) doch dazu durchgerungen, der Band mal ein Ohr zu leihen, könnte man durchaus überrascht sein. Trotz Heilsbotschaft herrscht hier zum Teil blanke Wut, totales Entsetzen oder völlige Resignation.

„We are smashed men, still moving.
We've tried everything in the book.”

Tja, da ist wohl einiges schief gelaufen, wa? Dass da das Leben nicht wirklich in geraden Bahnen verlaufen sein kann, kann man auch am ungewöhnlichen Songwriting dieser Band erkennen. Es quietscht, es groovt, es rasiert einem den Schädel und ist dann doch wieder wunderbar eingängig und mitsingbar.

„We're broken here,
we’re ruined here”

„Wer hört denn bitte so einen Scheiß?“ Ich, verdammt, ich tu das! Klar, das kann nicht jedem gefallen, soll es ja auch gar nicht. Doch die Musik hat ihre Faszination eben nicht nur durch ihr mitunter sehr wirres Auftreten sondern eben auch dadurch, warum sie gemacht wird.
Und gerade wenn man denkt: „Was bin ich nur für ein dämlicher Idiot?!“ fesseln Norma Jean besonders.

“While we thought we were learning how to live,
we have been learning how to die.”

Ein Mensch, den ich sehr schätze meinte zu mir ob dieser Zeilen: „So darfst Du nicht denken!“
Doch ist das nicht wirklich so? Ist diese ganze „Heile Welt“-Musik (auch die religiöse) nicht nur pure Augenwischerei? Und ist sie nicht deswegen vielfach so unglaublich belanglos und unwichtig? Beim Durchschauen der Musik-Sammlung ist mir aufgefallen, dass ich zwar auch viel Musik höre, die durchaus in diese Kategorie fallen würde, aber die hat bei weitem nicht diese „Genauso fühl ich!“-Wirkung. Sie ist einfach weniger wichtig, hat eine wesentlich weniger starke Wirkung und letztlich auch einfach weniger Bedeutung. Sie ist zweifelsohne schön, keine Frage! Doch weniger kraftvoll…

An dieser Stelle also einmal vielen Dank an As I Lay Dying, Underoath, Norma Jean und all die anderen Bands, die nachdenklich machen.