Samstag, 14. August 2010

... we're facing a sight to behold

Nach dem U2 am Vorabend in Frankfurt Stadionrock für die große Masse spielten, gab es am nächsten Tag im Knaack in Berlin das totale musikalische Kontrastprogramm: Gojira aus Frankreich
Eingängigkeit? Leicht ins Ohr gehende Melodien? 3min-Songs ala Strophe-Refrain-Bridge-Refrain? Fehlanzeige!
Hier bekam man völlig untypische Songstrukturen, wirre und komplexe Riffs sowie ausuferndes Gebolze um die Ohren geknallt. Und es war wieder mal (letztes Jahr hatten sie schonmal im Knaack gespielt, ich war ebenfalls anwesend) unglaublich gut!
Den Anfang am Abend machte allerdings eine Band, die ein kleines bisschen besser ins Ohr ging: Scarred by beauty aus Kopenhagen. Die Band um den ehemaligen Hatesphere-Sänger Joller durfte knapp 25min das noch spärlich vor der Bühne versammelte Publikum aufheizen. Dies gelang scheinbar nur teilweise, zwar fuhr man sehr anständigen Applaus ein aber im Anschluss war ihr Merch-Stand sehr spärlich besucht.
Ich hatte erst am Abend zuvor erfahren, dass überhaupt ein Support angekündigt war und lud mir sofort deren kostenlose EP von deren Myspace. Mich hatten die 3 Songs sofort überzeugt (da leichte Ähnlichkeiten zu den fantastischen Architects) und freute mich dementsprechend auf auf diese junge Band. Als ich kurz vor 8 allerdings im Club ankam, spielten sie mit „A million metaphors“ bereits ihren letzten Song (Konzertbeginn war für 8 angekündigt!), sehr ärgerlich. Im Anschluss an das Konzert unterhielt ich mich noch kurz mit Joller und einem der beiden Gitarristen und erfuhr dass sie noch auf Labelsuche sind, ihr erstes Album aber bereits komplett aufgenommen ist und für Anfang nächsten Jahres eine Tour in Deutschland geplant ist. Hingehen, Kinners, das ist nämlich eine tolle Band! Man bekam ihre Shirts für gerade mal 10€, also keine Frage dass man da zuschlägt und die Band etwas untestützt. Freundlicherweise haben sie mir auch ihre EP umsonst überlassen, sehr fein!


Bei Gojira, die schon kurz vor halb 9 auf die Bühne kamen, war der Club dann wesentlich voller sodass geschätzt 100 Leute sich vor der Bühne versammelten. Durch den frühen Beginn schien der Großteil aber erstmal etwas „kalt“ und taute erst nach ca. der Hälfte des Sets richtig auf. Ab dann wurde die Band aber richtig abgefeiert, was die 4 Franzosen sichtlich freute.
Sie begannen mit „Lizard Skin“ und „Clone“ von ihren Frühwerken, mit „Backbone“ von der „From Mars to Sirius“ gab’s dann aber auch schon den ersten Hit, falls man das bei der Musik so sagen kann. Nach „Indians“ und dem spacigen „A sight to behold“ (einer meiner Lieblingssongs der Band) von dem aktuellen Album „The way of all flesh“ gab es wieder ein kurzes Drumsolo von Ausnahme-Schlagzeuger Mario. Unfassbar, wie variabel der Gute sein Set bearbeitet. Da wird nicht einfach alles mit Blastbeats und Doublebass zugepflastert, sondern intelligent und vertrackt die Saiten-Fraktion unterstützt. Gerade dieses unkonventionelle Drumming ist ein Markenzeichen dieser Ausnahme-Band und macht sie so unverwechselbar.
Danach wurde es Zeit für ihren wahrscheinlich besten Song: „The heaviest matter oft he universe“
Dieser Song ist einfach so unfassbar fett und walzt alles nieder, dass es spätestens da um mich geschehen war und ich mich um den zwangsläufig folgenden, sehr schmerzhaften Muskelkater nicht mehr kümmerte. Man sah fast im kompletten Club nur rotierendes Haupthaar bzw. rotierende Köpfe bei der Kurzhaar-Fraktion. Ausnahmezustand, die Reaktionen aus dem Publikum nach diesem Song waren schlicht und ergreifend sensationell, mit diesem Song hatten Gojira wieder mal richtig abgeräumt. Ganz großes Tennis!


Den vorläufigen Rest gab es mit „Flying whales“, „Toxic garbage island“ und „Vacuity“ bevor man nach dem Zugabe-Spielchen (O-Ton: „We’re to old for that shit, I guess!“) noch das Tapping-Inferno „Oroborus“ folgte und das Konzert zu Ende war. Ursprünglich sollte noch „World to come“ gespielt werden, dies fiel allerdings der Deadline um 22Uhr zum Opfer (im Club muss ab diesem Zeitpunkt Ruhe sein, Folge eines Rechtsstreits mit den Mietern eines neuen(!) Wohnhauses in der Nähe… mit den anderen Bewohnern rund um den Traditionsclubs gab’s diese Probleme nicht). Trotzdem war das Konzert mit ca. 80min angemessen lange.
Letztlich war es wieder mal eine Demonstration, warum diese Band so unglaublich gut und einzigartig ist. Schade, dass sie in solch kleinen Clubs spielen muss, auch wenn es mich als Zuschauer natürlich freut wenn man nicht 400 andere Leute noch vor der Nase hat. Verdient hätte es die Band in jedem Fall! Die Ansagen zwischen den Songs waren immer wieder lustig und sympathisch, man stichelte auch gerne etwas gegen das angeblich zurückhaltende Publikum um noch etwas mehr Stimmung herauszukitzeln und lies auf einen Zwischenruf eines (betrunkenen) Amis verlauten: „Soccer? Of course, we’re good at it! We’re french… and… well, this year” und sorgte für ordentliches, leicht schadenfrohes Gelächter. Da konnten sich die Jungs selbst auch das Grinsen nicht verkneifen ;-)
Fazit: unglaublich gutes Konzert, in diesem Jahr definitiv eines der besten. Mit neuem Album dürfen sie gerne wieder kommen, ich bin auf jeden Fall wieder dabei!

Setlist:
Lizard Skin
Clone
Backbone
Indians
A Sight To Behold
The Art Of Dying
Drum Solo
The Heaviest Matter Of The Universe
Flying Whales
Toxic Garbage Island
Vacuity

Oroborus

… with or without you!

Normale Bühnen sind ja irgendwie langweilig, da hat man ja nur eine erste Reihe. Das haben sich Metallica schon Anfang der Neunziger gedacht und ihren legendäre Snakepit-Bühne auf Tour genommen sodass die Band mehr oder weniger in der Mitte der Halle stand. Das haben sie u.a. auch wieder auf der letzten Tour gemacht, die Fans konnten also komplett um die Bühne herum stehen. Außerdem kann man damit auch ein paar Tickets mehr verkaufen, da die sonst leeren Plätze hinter der Bühne auch genutzt werden können.
U2 kamen 2009 auf eine ähnliche Idee und kündigten ihre sog. „360°-Tour“ an, bei der die Bühne in der Mitte der Stadien stehen sollte. Netterweise wurden auch relativ attraktive Sitzplätze nahe an der Bühne für 30€ verkauft, in Deutschland bekam man diese für ca. 41€ (eventim hatte wieder mal die Finger im Spiel). Trotzdem immer noch sehr günstig für eine Band dieser Größenordnung, sodass ich mit einem Freund beim letztjährigen Auftritt im Berliner Olympiastadion war. Ein absolut fantastisches Konzert, bei der insbesondere die besondere Bühnenkonstruktion und die Lichtshow beeindruckten.


Für 2010 wurde wieder eine Europa-Tour angekündigt und diesmal standen Hannover, München und Frankfurt auf dem Programm.
Einige Tage vor dem Frankfurt-Konzert wurden wieder Ticket-Kontingente frei, sodass ich wieder für knapp 40€ U2 zu sehen bekam. Der Ticketverkauf lief vergleichsweise schlecht, sodass im Stadion selber einige Sitzreihen bzw. Blöcke abgedeckt wurden und schätzungsweise 5000 Leute noch reingepasst hätten. Der Sitzplatz, den ich am Abend zuvor erstanden habe, kostete ursprünglich auch knapp 120€ und wurde vergünstigt angeboten, sonst wären die Lücken im Stadion wesentlich größer geworden. Kein Wunder, teilweise kosteten Tickets bis zu 200€, da bekommen auch Bands wie U2 Probleme, Stadien zu füllen.
Nun aber zum Konzert:
Letztes Jahr in Berlin waren die fantastischen Snow Patrol Support, die ich erst durch diesen Auftritt zu schätzen begann. Dieses Jahr durften Kasabian im Vorprogramm ran. Diese haben mich aber nicht gereizt, sodass ich erst eine knappe viertel Stunde vor dem U2-Auftritt im Stadion ankam. Flugs die großartige Bühne bewundert und meinen Platz gesucht und dann ging’s auch schon los.
Die Band startete mit „Return Of The Stingray Guitar” und sofort fiel der katastrophale Sound im Stadion auf. Der steigerte sich im Verlauf des Konzerts bis zu „gerade so akzeptabel“ und soll laut Meinungen andere Besucher für Commerzbank Arena-Verhältnisse schon grandios gewesen sein, aber wie schlimm klingt das denn da, wenn es wirklich schlimm ist?
Gerade Bono hat man sehr selten verstanden, selbst als er ohne musikalische Untermalung Ansagen machte musste man sehr genau hinhören. Dies übertrug sich auf die Stimmung, denn so richtige Feierlaune kam eher selten auf. Die Songs wurden zwar alle sehr anständig gefeiert, auch die Ansagen (soweit verständlich) aber im Vergleich zum Berliner Konzert wirkte es diesmal etwas verhaltener. Vielleicht lag es auch an der Setlist, die gefiel mir in Berlin auch etwas besser. Trotzdem gab es bei Klassikern wie „Where the streets have no name“ oder „With our without you“ wieder jede Menge Gänsehaut, gerade die Songs der „Joshua Tree“ begeistern mich immer wieder. Aber natürlich auch „Sunday, bloody Sunday“ oder neuere Songs wie „Vertigo“ oder „Elevation“ haben es in sich und sorgten bei mir für ein ziemlich dickes Grinsen und zuckende Beine. Erwähnen muss man auch das unglaublich gute „Hold Me, Thrill Me, Kiss Me, Kill Me „, bei dem Bono eine leuchte Jacke mit roten Lasern trug und das Mikro (ebenfalls beleuchtet) von der Bühnendecke schwebte und als Schaukel diente. Der neue Song „Glastonbury“ (für das gleichnamige Festival geschrieben, der Aufritt dort fiel wegen einer Rückenverletzung Bonos aus) gefiel ebenfalls durch seine starke, rockige Ausrichtung.


Den letzten Song „Moment of surrender“ widmete die Band den Opfern der Loveparade, eine sehr feine Geste. Beim drauf folgenden Konzert in Hannover wurde dieser Song Robert Enke gewidmet, Drummer Larry Mullen trug zu diesem Anlass das Trikot von Enke. In beiden Fällen eine sehr feine Geste!
Klar, man kann Bono vorhalten dass er der Gutmensch schlechthin ist und viel zu oft seinen Zeigefinger erhebt. Ich nehme ihm und der Band dies aber ab, da sie Einnahmen der Konzerte zur Bekämpfung von AIDS spenden. So wurden Teile der Ticketeinnahmen aus der sog. „Red Zone“ (es gab bei der Bühne einen inneren Ring, in den nur Besitzer der Red Zone-Tickets kamen) direkt zum Kauf von Medikamenten genutzt. Die Tickets für diese Zone waren dementsprechend sehr teuer, man musste mehr als 200€ auf den Tisch legen, unterstütze damit aber auch Hilfsaktionen und war der Bühne extrem nah.
Nach etwas mehr als 2h war das Konzert zu Ende und Tausende Besucher strömten Richtung Bahnhof oder zu den zahlreichen Merchständen, bei der man für unglaublich viel Geld U2-Shirts oder andere Goodies erstehen konnte. 30€ für ein Shirt und 65€ für einen Pulli sind einfach eine Frechheit, große Band hin oder her. Das trotzdem gekauft wurde, als gäbe es kein Morgen ist daher ziemlich ärgerlich aber ich habe auch den Eindruck dass viele der Besucher wahrscheinlich nicht realisieren dass diese Preise einfach gnadenlos überteuert sind. Vielleicht liegt’s aber auch daran, dass ich als armer Student auch eher die Ausnahme im Publikum war denn der Altersschnitt lag wesentlich höher. Eigentlich auch mal angenehm, mit etwas über 20 Jahren auf Konzerten nicht zum alten Eisen zu gehören ;-)
Fazit: es war ein gutes Konzert, jedoch mit ein paar Mängeln (Merchpreise, Sound, Verpflegungspreise). Mir persönlich reicht es fürs erste mit U2-Konzerten, aber die nächste Tour wird wahrscheinlich eh erst in ein paar Jahren kommen. Bis dahin hab ich auch wieder Bock drauf.

Setlist:
Return Of The Stingray Guitar
Beautiful Day
New Year's Day
Get On Your Boots
Magnificent
Mysterious Ways
I Still Haven't Found What I'm Looking For
Glastonbury
Elevation
In A Little While
Miss Sarajevo
Until The End Of The World
The Unforgettable Fire
City Of Blinding Lights
Vertigo w/ It's The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine) snippet
I'll Go Crazy If I Don't Go Crazy Tonight w/ Discotheque snippet
Sunday Bloody Sunday
MLK
Walk On

One preceded by taped Desmond Tutu speech
Where The Streets Have No Name w/ Amazing Grace intro

Hold Me, Thrill Me, Kiss Me, Kill Me
With Or Without You
Moment of Surrender