Mittwoch, 19. Mai 2010

...weil wir Schwäne war'n

Turbostaat sind ein Phänomen. Die 5 Herren aus dem hohen Norden spielen Punk mit starkem Indie-Einschlag und vertrackten deutschen Texten. Was ist denn bitte ein „Fünfwürstchengriff“ oder was soll man sich unter Songtiteln wie „Charles Robotnik seine Frau“ vorstellen?
Die Texte strotzen nur so vor lauter interessanten sprachlichen Bildern und jeden Versuch, diese zu interpretieren, sollte man gleich sein lassen. Das macht nur die Musik kaputt und raubt den Songs das fesselnde. Wirklich greifbares würde man da eh nicht herausfiltern können.
Also geht man lieber auf ein Konzert, vergisst mal alles andere und lässt sich mitreißen. Und singt Zeilen wie „Wenn der Sommer kommt, erwürg mich im Maisfeld mit“, die für sich gesehen durchaus etwas seltsam anmuten aber im Ganzen, mit der Musik schlicht und ergreifend … wunderschön sind.
Am 8.5. gastierten Turbostaat in Gießen, für schmale 12€ durfte man an dem Spaß teilnehmen. Die Band legt ja bekannter weise viel Wert drauf, dass sie „bezahlbar“ ist. U.a. konnte man im Voraus das neue Album „Das Island Manøver“ (als CD oder LP) zusammen mit einem Ticket für 23€ bestellen, auf den Konzerten kosteten die Alben 10€ (auch beide Formate) und Textilien kosteten auch nicht viel. Daumen hoch dafür, macht die Jungs noch sympathischer als sie eh schon erscheinen.

Im Muk in Gießen musste man aber erstmal Frau Potz aus Kiel über sich ergehen lassen, wobei so schlimm waren sie dann doch nicht. Aber auch nichts besonderes, Punk mit recht platten deutschen Texten und latentem Indie-Einschlag. Klingt ja erst mal nicht viel anders als Turbostaat, nur der Unterschied ist: Turbostaat sind nicht peinlich.
Knappe 30min durften die Kieler spielen, erspielten sich ordentlichen Anstandsapplaus und verschwanden nach dem Gig sofort hinter dem Merchtisch um ihre Ware an den Mann oder die Frau zu bringen

Die Umbaupause zu Turbostaat zog sich dann doch recht lange hin, obwohl eigentlich schon alles an Equipment auf der Bühne stand.
Los ging’s dann letztendlich mit „Drei Ecken – ein Elvers“ vom Debüt „Flamingo“. Das gut gefüllte MuK war sofort äußerst tanz- und singwillig, das steigerte sich dann aber noch mit dem folgenden „Bei Fugbaums“. Aus hunderten Kehlen tönte „Und der Nachttisch voller Bilder, viel zu blau, viel zu grün, viel zu grell und viel zu hell“, die Stimmung war prächtig und die Band kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Insbesondere Ober-Sympath Jan schien ehrlich begeistert zu sein, machte die ein oder andere authentisch wirkende Ansage, wie sehr sich die Band doch freue dass alle mitsingen, die Alben kaufen und es der Band ermögliche Musik zu machen. Sowas feuert eine feiernde Menge natürlich an, dementsprechend ging es während dem gesamten Konzert hoch her. Ich hab selten ein Konzert erlebt, dass keinen einzigen Stimmungshänger hat, wie es hier der Fall war. Das neue fantastische Album „Das Island Manøver“ wurde fast komplett gespielt, sogar der genannte „Fünfwürstchengriff“ inklusive Drumcomputer wurde als letzte Zugabe gespielt. Verdient hat es das Album auf jeden Fall, da es eigentlich keinen schlechten Song enthält und reihenweise Ohrwürmer parat hat. Dazu kamen viele Lieder des Vorgängers „Vormann Leiss“, ein Album dass meiner Meinung nach zu den besten deutschsprachigen Alben aller Zeiten gehört. Dadurch fielen natürlich einige ältere Songs raus, was mich allerdings nicht störte da die letzten beiden Alben mich einfach mehr fesseln. U.a. wurden „Monstermutter“, der o.g. Opener und als vorletzten Song das fantastische „Schwan“ gespielt.

Nach ungefähr 80min (inklusive 5-6 Songs als Zugabe) war dann Schluss, die Band wurde anständig gefeiert und verschwand dann von der Bühne. Übrig blieben viele glückliche Gesichter, das hippe Indie-Mädel grinste genauso wie der langhaarige Metalhead, an dem Abend waren nämlich sämtliche Subkulturen vertreten, die eine mehr und die eine weniger peinlich. Und genau das ist das erwähnte Phänomen, so verschieden die einzelnen Szenen auch sind, es scheint einen gemeinsamen Nenner zu geben: Turbostaat.

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